Der Tag, an dem ich die Erleuchtung erlangte

19.10.2017

Während meines ersten Besuchs in Japan dieses Frühjahr hatten der Lieblingsjapaner und ich einige Wochen Freizeit und sind teils allein, teils mit unseren Müttern durch Japan gereist. Eine der Stationen war die Stadt "Nara", die man von Kyoto aus mit dem Shinkansen in einer Dreiviertelstunde erreichen kann. Nara ist vor allem bekannt für seine wilden Hirsche die angefüttert wurden und jetzt frei in der Stadt herumlaufen und Touristen nach Essbarem durchscannen. Außerdem findet man in Nara eine Reihe Tempel und Schreine die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen, darunter auch der "Tōdai-ji". Dieser Tempel, der auch auf unserer To-Do-Liste stand, ist berühmt für seine riesige Buddhastatue und... Buddhas Nasenloch. Ihr habt richtig gelesen.

In der japanischen Kultur gibt es eine unzählbare Anzahl an Traditionen, die man durchlaufen muss um sich Schönheit, Intelligenz, Reichtum oder sonstige glückliche Fügungen für das eigene Leben sichern zu können. Die Entscheidung, wie viel davon Marketingstrategie der Tempel ist und wie viel Glück das Ganze wirklich bringt, bleibt natürlich jedem selbst überlassen ;)

Um dem eigenen Glück ein bisschen auf die Sprünge zu helfen gibt es auch im Tōdai-ji die passende Anlaufstelle, und zwar in Form eines riesigen Holzpfeilers, der Teile des Tempels trägt. Eben jener Pfeiler hat am Fußende eine Aushöhlung, die - warum auch immer - die Maße von Buddhas Nasenloch haben soll. Wer es schafft, sich durch dieses "Nasenloch" zu quetschen, erlangt die Erleuchtung! Wirklich! Was sich der Erfinder dieser Geschichte gedacht hat, weiß ich auch nicht so genau - "Was wäre wohl der schnellste Weg zur Erleuchtung? Vielleicht würde sich der Weg durch Buddhas Nase in der Hinsicht anbieten?" 

"Und woher weiß man schon ob das Ganze zu den gewünschten Ergebnissen führt, wenn man es nicht selbst probiert?!", haben wir uns gedacht und sind alle zusammen zu besagtem Loch gepilgert. Das sah dann doch kleiner aus als erwartet und meine Hoffnung auf meine schnelle Erleuchtung schwand. Weil "Fremde-Leute-fotografieren" dann auf Dauer doch nicht so spannend ist, wie Fotos von Menschen die man kennt, begann ich den Lieblingsjapaner zu überreden, es doch einfach mal zu versuchen mit dem Weg ans andere Ende des Nasenlochs. Der ließ sich dann glücklicherweise auch gar nicht lange bitten und war schwupp - schon in sekundenschnelle einen Schritt näher zur

Ich ziehe meine Mama durch, entschuldigt die schlechte Bildqualität.
Ich ziehe meine Mama durch, entschuldigt die schlechte Bildqualität.

Erleuchtung. Das sah so spielend einfach aus, wieso sollte ich das also nicht auch schaffen. Angetrieben vom Willen, nicht die einzige "Unerleuchtete" in dieser Beziehung zu bleiben, krabbelte also auch ich in das Loch und konnte mit ein bisschen ziehen und drücken von Außen hindurch befördert werden. Ein tolles Gefühl, wirklich ein bisschen erleuchtend ;) Übrig waren dann nur noch die beiden Mamas - die Lieblingsjapanermama zierte sich erst etwas und meinte sie sei zu voluminös um in Buddhas Nasenloch zu passen, was natürlich absolut lächerlich ist, wenn man sich Fotos anschaut wie ich neben ihr stehe und wie ein Sumoringer neben etwa 12-jährigem Schulmädchen wirke. Mit ein bisschen Überredung konnte dann auch sie überzeugt werden und schaffte es natürlich ganz ohne Hilfe von Außen. Übrig war am Ende nur noch die liebe deutsche Mama, und die war natürlich hochmotiviert es uns allen gleich zu tun. Der Lieblingsjapaner ist im Allgemeinen eher zurückhaltend wenn es darum geht, sich zum Äußeren anderer Menschen zu äußern. Jetzt wurde aber sogar er leicht nervös. "Hmmm, ich glaube das ist nicht so eine gute Idee, wir sollten das vielleicht eher nicht machen..." stammelte er unsicher, wahrscheinlich hatte er im Kopf schon die Bilder von Feuerwehrleuten, die eine deutsche Touristin (meine Mama!) aus dem Pfeiler schneiden müssen. Von sowas ließ sich meine Mama aber nicht abhalten, wahrscheinlich war sie in Wahrheit die einzige Anwesenden im Tempel die an ihren Erfolg glaubte. Sie entledigte sich aller störender Jacken, Pullis und Schals und kletterte in das Nasenloch. Und dort blieb sie erstmal. Bei meinem Versuch sie an einem Arm heraus zu ziehen, bewegte sich gar nichts. Während alle Umstehenden schon heimlich Notrufnummern auf dem Handy eintippten, rief Mama mir aus dem Loch hinzu "Doch, doch, das geht! Zieh fester!". Also stemmte ich mich mit aller Kraft mit den Füßen gegen den Pfeiler und zog.. und plopp - so schnell war dann auch meine Mama erleuchtet. Um uns erleichtertes Ausatmen und Fotogeknipse, bei Mama ein strahlendes Lächeln. Man muss eben doch einfach an sich selbst glauben... 

Tja, und so kam es, dass ich die Erleuchtung erlangt habe - und mit mir auch meine Familie. Wie sich das anfühlt? Ziemlich glücklich! Denn immer wenn ich das Video und die Fotos von diesem Tag anschaue, könnte ich Tränen lachen. Und dafür hat er sich auf jeden Fall gelohnt, der Weg durch das Nasenloch...

Beste Grüße, deine

- Isabella


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