Mein ganz eigenes Kokuhaku

14.02.2018

Nach leider viel zu langer Prüfungsstress bedingter Blogpause, heute endlich wieder ein neuer Eintrag. Und welch besserer Tag um wieder damit anzufangen als der Tag der Liebe, nicht wahr? :P Über Valentinstag kann man streiten. Ob man sich etwas schenken muss, ob das eh nur alles Kommerz ist, ob man ein trauriger Langweiler ist wenn man den Tag alleine verbringt? Nie hätte ich gedacht, dass es sogar kulturelle Unterschiede gibt wie der Tag „richtig“ begangen werden muss… ich dachte immer das obligatorische Candle Light Dinner sei international. Mittlerweile weiß ich, das Gegenteil ist der Fall.

Valentinstag in Japan ist anders. Auf rote Rosen können Frauen an diesem Tag lange warten und mitunter bringt der eigene Freund auch noch Schokoladengeschenke von anderen Frauen mit nach Hause… in Japan ist das ganz normal. Denn Valentinstag in Japan ist ein Tag für Männer, das Pendant für Frauen folgt pünktlich einen Monat später am 14. März, „White Day“ genannt. Wie es die „Tradition“ so will, ist es am Valentinstag die Aufgabe der Frau, Männer mit Schokolade zu beschenken. Dabei muss unterschieden werden zwischen 義理 チョコ (giri choco), was so viel wie „Pflichtschokolade“ bedeutet. Diese meist relativ preisgünstig erstandene Schokolade dient als kleine Aufmerksamkeit für Kollegen und männliche Freunde, ohne jegliche Hintergedanken. Und dann gibt es auch noch 本命 チョコ (honmei choco), also die „Schokolade der wahren Gefühle“. Sie ist meist selbstgemacht oder war zumindest teuer und wer ein Päckchen dieses Kalibers empfängt, weiß in der Regel sofort was gemeint ist. Wahre Gefühle in Schokoform – das kann nur heißen „Sie steht auf mich!“. Wer sich jetzt fragt, warum man jemanden mit einem Päckchen Schokolade vermitteln muss, dass man irgendwie schon viel zu oft und viel zu lange an diese Person gedacht und dabei alle verfügbaren Facebook-Bilder fünf mal durchgeklickt hat, der ist schon mittendrin in der japanischen Kokuhaku-Kultur.

 

告白 (Kokuhaku) wird viel zu vereinfacht als „Geständnis“ übersetzt, eigentlich steckt aber viel mehr in diesem einen Wort. Während man in Deutschland erst ein, zwei oder auch zwanzig Mal ausgeht bevor man irgendwann beschließt „Ist doch irgendwie was Ernstes zwischen uns..“, läuft es in Japan genau anders herum. Ganz zu Beginn steht das Kokuhaku, also sozusagen „Liebesgeständnis“. Neben dem Verschenken der besagten Schokolade, ist ein beliebter Satz hierfür  好きです。付き合ってください。(Suki desu. Tsukiatte kudasai.) - Ich mag/liebe dich. Bitte sei mit mir zusammen! Hollywood hätte es nicht schöner schreiben können, oder? Verrückterweise kommt das erste Date dann für gewöhnlich erst im Anschluss an diesen wahren Gefühlsausbruch.

 

Jetzt weiß ich das alles… das war aber nicht immer so. Was genau unter einem japanischen Kokuhaku zu verstehen ist, musste ich erst am eigenen Leib erfahren. In einem früheren Artikel habe ich schon mal erzählt, wie der Lieblingsjapaner eigentlich zum Lieblingsjapaner wurde. Dabei habe ich allerdings einen Punkt gekonnt ausgelassen – das berühmt-berüchtigte „Willst du mit mir gehen? Ja/Nein/Vielleicht“. Als der Lieblingsjapaner noch einfach nur mein Mitbewohner war, wusste ich nichts von japanischem Kokuhaku oder honmei choco. Ich wusste nur, dass mir dieser Mitbewohner einfach nicht mehr aus dem Kopf ging und er dabei auch noch alle unbeholfenen Annäherungsversuche meinerseits gekonnt ignorierte. Also beschloss ich irgendwie zu handeln.. nur wie? Zu allem was normale Menschen tun würden – ins Kino einladen, die eigene Briefmarkensammlung vorführen – fehlte mir der Mut. Schlussendlich entschied ich mich für eine Van Gogh Postkarte mit, im Nachhinein betrachtet, klassisch-japanischen Kokuhaku-Sätzen. Tatsächlich war diese eigentlich ziemlich japanische Herangehensweise aber nicht meinen überragenden Japan-Kenntnissen geschuldet, sondern einfach nur meinem mangelnden Mut. Ganz brav japanisch schrieb der Lieblingsjapaner dann eine überraschte Antwortpostkarte und der Rest ist Geschichte :) Einen ganzen Monat später fragte ich dann endlich, was ich schon die ganzen letzten Wochen mit mir herumgetragen hatte: „Was ist das jetzt eigentlich zwischen uns? Sind wir jetzt richtig zusammen?“ Ein verwirrter Blick vom Lieblingsjapaner: „Ich dachte, das wären wir schon seit den Kokuhaku-Postkarten?“ Genau das war der Moment, in dem mir die volle Bedeutung des Begriffs Kokuhaku so richtig bewusst wurde. Das Geständnis mit anschließender Erwiderung bedeutet tatsächlich, dass man richtig zusammen ist! Mir fiel ein Stein vom Herzen. Eine Vorgehensweise, die für westliche Ohren vielleicht gewöhnungsbedürftig klingen mag… aber eigentlich ist es doch auch ziemlich praktisch, oder? ;)

 

Feiert ihr Valentinstag oder ist euch das zu anstrengend? Welche kulturellen Besonderheiten eines anderen Landes haben euch ziemlich überrascht? 


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