Japan verändert mich

13.10.2017

Verbringt man eine Zeit lang an einem neuen Ort, bewirkt das fast unumgänglich Veränderungen an und in uns. All die Menschen, Gerichte, Gerüche und Geräusche auf die man trifft hinterlassen einen Eindruck, den man so nicht mehr abstreifen kann. Und seien diese Eindrücke nun gut oder auch schlecht, so verändern sie doch immer auch ein wenig wie wir die Welt sehen. Wenn ich im Winter nachts nach Hause laufe, muss ich oft daran denken wie es war, während meines Jahres in Nordnorwegen auf dem Heimweg von Nordlichtern begleitet zu werden oder wenn ich in den Nachrichten über Venezuela höre, erinnere ich mich an die Geschichten die mir ein Freund aus Norwegen aus seiner Heimat erzählt hat. In Japan habe ich noch nie "richtig" gelebt, trotzdem ertappe ich mich immer öfter dabei, wie mich all die Erzählungen des Lieblingsjapaners und meine Besuche im Land Stück für Stück ein kleines bisschen verändert haben. Habt ihr das nach einem Urlaub/Umzug/Auslandsaufenthalt auch schon mal erlebt?

1. Hereinspaziert

Dieser Punkt mag wohl von Familie zu Familie sehr unterschiedlich sein, in meiner Familie ist es jedoch völlig normal mit Straßenschuhen ins Haus zu laufen und die auch mal den halben Tag anzubehalten. Darüber habe ich mir bis vor kurzem auch nie großartige Gedanken gemacht. Seit dem ich wieder aus Japan zurück bin verspüre ich plötzlich immer nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen habe, den Drang meine Schuhe jetzt sofort auszuziehen. In Japan ist es fast das größte Fettnäpfchen in das man so treten kann, wenn man im Wohnhaus seine Schuhe anbehält. Was für mich erst ungewohnt war ist mittlerweile so zur Gewohnheit geworden, dass ich schon fast den japanischen "Genkan" vermisse, den traditionellen Eingangsbereich in japanischen Häusern, in dem man seine Schuhe auszieht und lagert. Wohl eine Veränderung, die für das allgemeine Sauberkeitslevel meiner Wohnung die positivsten Auswirkungen hat ;) 

2. Links stehen, rechts gehen

markystar.files.wordpress.com
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Tokyo ist weltweit die Stadt mit der höchsten Bevölkerungsdichte. Egal wo man ist, egal wie viel Uhr es ist und egal wohin man schaut, man ist eigentlich nie allein. Um diese Menschenmassen zu organisieren, hat sich in Japan die Etikette entwickelt genau wie im Autoverkehr immer links zu gehen. Das führt auf Gehwegen und in Fußgängerzonen zu zwei langen Menschen"zügen" die je in Gehrichtung links aneinander vorbeiwalzen ohne zusammen zu stoßen. Da kann man als unbedarfter Ausländer schon mal gehörig die eingespielte Ordnung durcheinander bringen. Das Ganze findet sein Äquivalent auch in der Rolltreppenbenutzung, in der es (allerdings je nach Region in Japan veränderbar) heißt: links stehen und rechts gehen. Es ist wirklich erstaunlich, wie sich diese Menschenmassen tatsächlich alle strikt daran halten. Sehr praktisch, das alles. Daran erkennt man übrigens im Flughafen auch japanische Touristen: Sie steigen aus dem Flieger und stellen sich an der ersten deutschen Rolltreppe pflichtbewusst an die rechte Seite, schließlich weiß der informierte japanische Tourist, dass in Deutschland Rechtsverkehr herrscht. Sobald die Deutschen aus dem Flugzeug strömen und die Rolltreppe einfach blockieren, sind die japanischen Touristen meiner Erfahrung nach ziemlich verwirrt ;) Ich ertappe mich auch immer wieder, wie ich unbewusst an den linken Seite stehen bleiben oder im Geiste alle deutschen Rolltreppenblockierer verfluche ;)

3. Sugoi, ne? - Super, oder?

Nach meiner Rückkehr nach Deutschland passiert es mir immer wieder, dass mir aus Versehen Japanisch herausrutscht. Und damit will ich jetzt gar kein falsches Bild vermitteln. Ich kann eigentlich nicht wirklich Japanisch, mein Repertoire besteht aus Kurzsätzen wie "Das ist ein großer Hund" oder kurzen Ausrufen wie "Wow, kalt!", "Oooh, wie schön!" oder "Entschuldige!". Während meiner Zeit bei der Lieblingsjapanermama habe ich allerdings zu 90% in solchen Ausrufen kommuniziert. Da habe ich mich so daran gewöhnt statt "Ja" immer nur "Hai" zu sagen oder vor dem Essen die Hände zusammen zu legen und "Itadakimasu!" zu sagen statt "Guten Appetit". Dass diese Worte im Moment tatsächlich teilweise noch präsenter in meinem Kopf sind, als die deutsche Entsprechung, finde ich selbst ziemlich verrückt. Wie lange das aber tatsächlich anhalten wird, ist die andere Frage ;)

4. Praktisches Japan

Wie bereits öfters erwähnt ist es einfach ein Fakt, dass Japan ein wahnsinnig praktisches Land ist. Regeln des Zusammenlebens werden von den meisten Menschen befolgt, öffentliche Toiletten sind so gut wie immer gratis, Getränkeautomaten stehen an jeder Straßenecke und Läden, die 24 Stunden, 7 Tage die Woche offen haben finden sich in jeder Klein(st)stadt. Vielleicht habe ich mich auch einfach ein bisschen an das Leben in der Großstadt gewöhnt, aber die ständige Verfügbarkeit von allem Erdenklichen fehlt mir in Deutschland doch. Ich, die Verfechterin von Sonntags geschlossenen Läden und humanen Öffnungszeiten muss mir mittlerweile wohl doch eingestehen, wie wahnsinnig super es manchmal doch sein kann, nach dem Barbesuch auf dem Heimweg noch ein Päckchen Milch fürs Frühstück holen zu können. Japan verwöhnt mich...

5. DankeschönEntschuldigungBittesehr

http://jpninfo.com/wp-content/uploads/2015/04/Japanese-Ojigi-1.jpg
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In der japanischen Kultur ist es völlig normal sich zu verbeugen. Und das ständig. Abhängig von sozialem Stand, Alter, Geschlecht und Situation gibt es alles zwischen einem leichten Kopfnicken und der tiefsten Verbeugung im Knien, um seinen Dank oder Entschuldigungen auszudrücken. Bevor ich das erste Mal nach Japan gekommen bin, habe ich mir Gedanken gemacht ob es sich für mich wohl unnatürlich anfühlen würde mich zu verbeugen. Diese Bedenken waren unbegründet, ich habe das Gefühl sobald man in Japan von all den sich verbeugenden Menschen umgeben ist, senkt man ganz automatisch auch den eigenen Kopf. Jetzt zurück in Deutschland muss ich mich teilweise zusammenreißen der Kassiererin im Supermarkt nicht dankbar zuzunicken oder mich beim Überqueren der Straße verbeugend beim anhaltenden Autofahrer zu bedanken.

 

Japan verändert mich.. und das fühlt sich irgendwie ziemlich gut an.

Beste Grüße, deine

- Isabella


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