Wie man einen Kimono leiht

oder: Meine schönste Japanerinnerung

22.01.2018

Inspiriert von Claudias Artikel zu ihren wunderschönen geerbten Kimonos, erzähle ich heute von einer meiner liebsten Japanerinnerungen – dem Tag an dem wir Kimonos ausgeliehen haben.

Kimonos kannte ich früher nur vom Film „Die Geisha“ oder von billigen Faschingsverkleidungen. Dass ich irgendwann mal selbst einen tragen würde, hätte ich mir nie vorstellen können. Was früher Bekleidungsstück Nummer 1 war, sieht man heute in Japan größtenteils nur noch zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten oder Abschlussfeiern. Wenn man Glück hat, läuft man auch mal an einer älteren Frau vorbei die immer noch jeden Tag Kimono trägt, wobei diese leider immer weniger werden.

Umso überraschter wird man sein, wenn man an bestimmten Sehenswürdigkeiten, Tempeln und Schreinen vorbei geht und es plötzlich nur so wimmelt von Menschen in Kimono. Und das an einem ganz normalen Wochentag… Verrückterweise ist es nämlich gar nicht „out“ Kimono zu tragen, auch wenn es manchmal anhand des normalen Stadtbildes so scheinen mag. Fakt ist, dass viele gerade jüngere Japaner*innen gar keinen Kimono mehr selbst besitzen und erst recht nicht über die Fähigkeit verfügen, diesen selbst anzuziehen. Seit dieser Entwicklung boomt ein ganz neuer Geschäftszweig: Der Leihkimonoladen. Diese Art des Geschäfts bieten Kimono und Obi zu den unterschiedlichsten Preisklassen und Stilbereichen, helfen beim Ankleiden und Zurechtmachen, organisieren Fotoshootings und Stadtführungen. Gerade für jüngeren Frauen oder Pärchen ist es eine beliebte Tagesbeschäftigung zu besonderen Anlässen oder auch einfach nur so Kimonos auszuleihen, zum Sightseeing zu gehen, tonnenweise Fotos zu schießen und den Kimono abends wieder zurück zu bringen. Was bei Japaner*innen gut ankommt, lockt natürlich auch Tourist*innen an wodurch man in manchen Stadtteilen mittlerweile schon mehr blonde Kimonoträgerinnen sieht als Japanerinnen. Ausländer*innen im Kimono sind für die meisten Japaner*innen glücklicherweise kein Grund zur Aufregung, ganz im Gegenteil freuen sich die meisten Einheimischen wenn sich Ausländer*innen für ihre Kultur interessieren. 

Dementsprechend aufgeregt war ich, als ich erfuhr dass wir während unserer Kyotoreise auch einen Tag lang im Kimono verbringen sollten – als Geschenk der Lieblingsjapanermama.

 

Gerade in Kyoto gibt es eine riesige Auswahl von Läden die Kimonos verleihen. Zwischen diesen Läden gibt es mitunter große Unterschiede. Es gibt Läden die nur Japanisch sprechende Mitarbeiter haben, oder solche die Englische Betreuung anbieten. Und auch in der Größe des Ladens und den Preisen unterscheiden sie sich stark. Größere Läden bieten meist „Schnäppchenangebote“ die schon bei umgerechnet 20-30 Euro pro Tag anfangen. Ihre Zielgruppe sind vor allem Schüler/Studenten und Touristen. Die Auswahl der Kimono ist somit größer, dafür fällt die individuelle Betreuung meist knapper aus. Zudem haben die angeboten Kimono logischerweise eine etwas niedrigere Qualität, wen das nicht stört der kann durchaus mit ein bisschen Vorrecherche ein echtes Schnäppchen machen. Im Gegensatz dazu gibt es auch kleinere, „exklusivere“ Läden die hochwertigere Kimono vermieten und dabei auch etwas teurer sind. Diese Läden werden von Touristen aber auch von Hochschulabsolventen, Hochzeitsgästen usw. benutzt. Die Preise fangen hier für einen Tag wohl etwa bei 50 Euro an, nach oben hin ist der Preis natürlich wie immer offen ;)

Die Lieblingsjapanermama hat ein Auge fürs Detail und wählte deswegen einen kleineren, hochwertigeren Laden, der trotzdem noch bezahlbar blieb. Zuerst war mir dieses teure Geschenk ein bisschen unangenehm, schlussendlich war ich aber doch sehr stolz einen so schönen, hochwertigen Kimono tragen zu dürfen ;) Organisatorisch gesehen muss man sich zuerst online im Vorhinein beim betreffenden Laden anmelden. Bei der Anmeldung gibt man an, welchen Service man genau buchen möchte, je nach Laden kann man Frisieren, Make-Up, ausgefallenere Gürtelknoten, Photoshootings usw. dazu buchen. Wir hatten für das Auswählen und Fertig machen eine gute Stunde eingeplant. Im Laden durften wir dann aus einer großen Auswahl von Kimono, Schuhen, Obi, Jacken und Taschen wählen – natürlich war ein Stück schöner als das Andere. Die Auswahl wurde (glücklicherweise!) ein wenig erleichtert dadurch dass nicht alle Kimono für westliche Körper gemacht sind und mitunter zu kurz oder zu eng ausfallen. Trotz dieser Einschränkung wurden wir irgendwann alle fündig. Dann hieß es raus aus den Klamotten, rein ins Unterkleid und ab zum Frisieren und zum anschließenden Ankleiden. Jetzt verstehe ich auch, warum so gut wie niemand Kimono alleine anziehen kann. So verschnürt und verpackt wurde ich vorher noch nie in meinem Leben. Die ersten Minuten Atmen waren dann erstmal etwas schwieriger, dafür hatte ich wohl noch nie eine so gute Körperhaltung wie im Kimono ;) Und obwohl ich mich eigentlich selbst nicht als richtiges Mädchen-Mädchen sehe, muss ich doch gestehen, wie schön es sich anfühlt so umsorgt und verziert zu werden… ein bisschen wie eine Prinzessin ;) Der anschließende Tag war wirklich etwas ganz besonderes, so elegant (und japanisch!) wie an diesem Tag habe ich mich selten gefühlt. Verrückt was Komplimente und Fotos mit fremden Einheimischen doch mit dem eigenen Selbstbewusstsein machen können. Und dann auch noch die eigene Mama und den Lieblingsjapaner so herausgeputzt zu sehen, war das große Sahnehäubchen. Trotz Sightseeing mit Trippelschritten war der Tag viel zu schnell vorbei und das Ablegen des Kimonos gleichzeitig erleichternd und wehmütig. Am Tag darauf habe ich mir in einem Secondhandladen meinen ersten eigenen Kimono gekauft! :)

 

Habt ihr schon mal Kimono getragen und wenn ja zu welchem Anlass? Wie steht ihr zu Ausländer*innen in einheimischer Kleidung? 


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