縁 - en

13.01.2018

Wenn ich zurück an meine Schulzeit denke, verschwimmen die meisten Lehrergesichter in der Erinnerung zu einer Masse. Eingebrannt haben sich nur die zwei, drei Lehrer die dadurch aufgefallen sind, wie ausgebrannt und unmotiviert sie gegenüber ihrem Beruf waren. In ein paar Jahren werde ich wenn alles gut läuft auch fertige Lehrerin sein. Irgendwie deprimiert es mich, an diese ausgebrannten Lehrer zurück zu denken. Manchmal hat man aber auch Glück und trifft Lehrer die anders sind, die auffallen weil sie für ihren Beruf brennen. Solche Begegnungen motivieren mich.

 

Zu meinem Japanischkurs bin ich vor knapp eineinhalb Jahren eher durch Zufall gekommen. Alle Anfängerkurse waren zu weit weg, also entschied ich mich doch dafür, es im „Anfänger mit Vorkenntnissen“-Kurs zu versuchen, auch wenn sich meine Vorkenntnisse damals noch auf „Mein Name ist Isabella“ beschränkten. Und so landete ich in dieser bunt zusammengewürfelten Gruppe von Menschen, die unterschiedlicher wohl nicht sein könnten. Allen voran unsere Lehrerin: Eine Japanerin mit lustiger Deutsch-Japanischer Namenkonstellation durch ihre Ehe mit einem Deutschen. Ich werde sie hier A-Sensei nennen. Schon ziemlich bald nach meinen ersten paar Stunden wurde ich zum A-Sensei Fan. A-Sensei bringt japanische Gegenstände von Zuhause mit um sie uns zu zeigen, schreibt Lieder um, um uns Grammatikregeln singend zu vermitteln und erfindet kleine Geschichten zu jedem neuen Kanji (=jap. Schriftzeichen). Mit dieser motivierten Art trug sie wohl auch einen großen Teil dazu bei, dass sich unsere zusammengewürfelte Gruppe immer besser verstand und jetzt oft die ganze Japanischstunde durchlacht. Spätestens dann als sie Recherchen in ihrem Freundeskreis anstellte, um Deutschland-Tipps für meinen Lieblingsjapaner zu sammeln, wusste ich: Ich will auch so eine Lehrerin wie A-Sensei werden. Dazu kommt, dass A-Sensei eine kleine poetische Ader hat, die ab und an hervor kommt.

 

Letzte Japanischstunde zum Beispiel erklärte sie uns die Bedeutung des japanischen Wortes (sprich: „en“). „En“ hat mehrere Bedeutungen, die nicht unbedingt wörtlich übersetzt werden können. Am nächsten kommen wohl noch die Begriffe „Schicksal“ und „Beziehung/Verbindung“. Dahinter steht das japanische Konzept, dass Menschen die sich irgendwo kennen lernen  ab diesem Zeitpunkt immer in irgendeiner Weise verbunden sein werden. In Japan stellt man sich vor, dass Menschen die zum ersten Mal aufeinander treffen zwei unsichtbare Fäden zusammenbinden und sie somit fast wörtlich ver“bunden“ sind. Dadurch entsteht ein enges Netz an sich kreuzenden Verbindungsfäden, die jeden Menschen in der Gruppe halten – und damit Halt geben. Im Umkehrschluss laufen Menschen, die zu wenige solcher Verbindungen haben, etwa dadurch dass sie neu an einen Ort kommen, Gefahr einfach davon zu schweben. Schließlich fehlt ihnen der Halt. Eine Vorstellung, die wohl ziemlich bezeichnend ist für die japanische Gesellschaft und ihrem Hang zum Kollektivismus. Wie es dazu kommt, dass genau diese zwei Menschen auf einmal aufeinander treffen ist unklar – ist es Schicksal oder nur Zufall? Sicher ist jedoch, dass jede dieser Verbindungen – sei sie nun gut oder schlecht - prägend ist, auch wenn es einem im ersten Moment noch nicht so erscheinen mag. Ist es nicht wahnsinnig schön, wie viel in diesem einen Schriftzeichen steckt? Umso schöner finde ich, wie ich selbst über zehn Ecken von diesem japanischen Konzept erfahren habe. Erst war da der Faden, der mich so stark nach Norwegen gezogen hat, dann mit einem Japanischen Faden gekreuzt wurde und sich jetzt in viele weitere Japan-Verbindungsfäden aufgeteilt hat. Als ich den ersten unsichtbaren Faden mit meinem damaligen Mitbewohner geknüpft habe, hätte ich nie erwarten wie stark mich diese Verbindung noch prägen wird – das ist .

 

 

Welches  hat dich besonders geprägt? 



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